Cover: Das vegane Breifrei Kochbuch. Kinderhand greift nach einer aus Obst und Gemüse gebastelten Blume.

Rezepte für vegane Babys

Bevor ich zum Buch komme, einige grundsätzliche Gedanken zum Thema “Breifrei”: Ich verstehe schlicht nicht ganz, warum aus Babyled-Weaning die Idee entstanden ist, es sei erstrebenswert, auf Brei zu verzichten. Babyled-Weaning heißt ja erst mal nichts anderes als “vom Baby geleitetes Abstillen”. Ich verstehe darunter nicht mehr und nicht weniger, als dass das Baby bestimmt, wie lange es stillt. Kann ich mitgehen und habe es beim Großen Herzliebchen auch selbst mehr oder weniger so praktiziert (nach etwa viereinhalb Jahren hat sich unsere Stillbeziehung in beiderseitigem Einverständnis langsam ausgeschlichen). Aber warum vehement Brei ablehnen? Das Argument, Brei sei nicht natürlich, da weder Flora noch Fauna Pürierstäbe produzieren, konnte ich nie nachvollziehen: Premastication, also das Vorkauen fester Nahrungsmittel für Babys, hat eine lange Tradition in der Menschheitsgeschichte (Hinweise darauf geben zum Beispiel 1.500 Jahre alte Papyrus-Schriften aus dem alten Ägypten1) und wird bis heute in einigen Teilen der Welt (z.B. in einigen afrikanischen und asiatischen Ländern2) praktiziert – und auch die US-amerikanische Schauspielerin Alicia Silverstone hat vor einigen Jahren Aufsehen erregt, als publik wurde, dass sie ihr Kind auf diese Weise ernährt.

Ich kann auch noch mitgehen, wenn Babyled-Weaning dann im Groben bedeutet, dass Babys – während sie bestimmen, immer weniger stillen zu wollen –  am Tisch das mitessen, was Eltern essen, und grundsätzlich finde ich Fingerfood eine super Sache. Aber ich als Erwachsene esse gar nicht nur Fingerfood, sondern z.B. auch Suppen, Hirsebrei oder Kartoffelstampf, Obstmuse; auch mein Müsli hat oft eine ähnliche Konsistenz wie ein Getreidebrei. Neulich erst habe ich daran gedacht, dass ich mir von meiner Mutter ihr Rezept für den leckeren Haferbrei, den wir früher oft gegessen haben, geben lassen muss, und dass das doch bestimmt recht einfach veganisierbar sei. Wenn mein Kind das mitisst, was wir Erwachsene essen, ist da ganz oft Nicht-Fingerfood dabei. Was ich damit sagen will: Meiner Auffassung nach ist Brei und Breiähnliches eine völlig natürliche und artgerechte Form der Babyernährung – und gerade bei veganen Kindern eine tolle Möglichkeit, sie mit wichtigen Nährstoffen zu versorgen: Als Frühstück einen Hirsebrei zu etablieren, in den man z.B. Mandelmus mischt, ist eine hervorragende und zuverlässige Quelle für Eisen, Kalzium und gute Kalorien. Das heißt ja nicht, dass man seinem Baby ausschließlich Brei in den Mund stopfen muss. Just saying.

Allerdings sieht die Autorin das mit dem Breifrei-Gedanken vielleicht auch nicht so super verbissen, denn es finden sich dann doch breiige Rezepte in ihrem Buch: Apfelmus, verschiedene Hummus-Varianten und Smoothies.

Und jetzt zum Buch: Ich finde die Rezepte super! Wirklich tolle, vollwertige und einfache (!) Gerichte finden sich hier, so wünsche ich mir das! Leider fehlen Zeitangaben zu den Rezepten, das würde es leichter machen zu planen. Auf Zucker verzichtet die Autorin vollständig; stattdessen kommen (und auch das nur selten) Agavendicksaft, Kokosblütenzucker, Dattelsirup und ähnliches zum Einsatz. Ansonsten ist das Buch recht klassisch aufgebaut: Nach dem Info-Teil kommen Rezepte für Frühstück (z.B. Kokosbrot, Sonntagswaffeln, Zimt-Crêpes), Hauptgerichte (Avocado-Reistaler, Blumenkohlquiche, Hirse-Kokosauflauf mit Kirschtopping, Polenta-Taler, Yam-Yam-Pizza, Kartoffel-Leinsamenpuffer), für unterwegs (z.B. Flapjacks, Hafercookies, Getreidekekse) und Süßes in Form von Kuchen und co (z.B. Cranberry-Heidelbeermuffins mit Chiasamen und Zimt, Schokobananentorte). Heraus sticht der Bonusrezepte-Teil, der Anleitungen für selbstgemachte Zahnpasta oder Feuchttücher gibt.

Insgesamt ein liebevoll gemachtes Buch, die Fotos der Gerichte sind von Tanja Weisenbach selbst geschossen. Die Werbung, die sich in Form von Produktplatzierung ein bisschen durch das Buch zieht und der auch ein Kapitel am Schluss gewidmet ist, kann stören, muss aber nicht.

Ein Riesenfauxpas ist der Autorin allerdings im Infoteil im Kapitel zu Vitamin D passiert: Sie vernachlässigt darin nicht nur den Umstand, dass die Sonneneinstrahlung in den kalten Jahreszeiten unseren Körper einfach nicht befähigt, Vitamin D selbst herzustellen – das hat etwas mit dem Winkel der Sonne zur Erde zu tun und nichts damit, ob wir uns im Winter lange genug draußen aufhalten. Sie schreibt auch noch, dass Vigantol Öl (Vitamin-D-Tropfen, die man Kindern gerne verschreibt) ihres Wissens nach das einzig vegane Präparat sei. Vigantol Öl ist aber nicht vegan! Kann man eigentlich leicht rausfinden… Und zum Glück gibt es sehr wohl jede Menge vegane Vitamin-D-Präparate, die man auch Kindern geben kann, kannst Du hier nachlesen. Ich halte eine durchgehende Vitamin-D-Supplementierung mindestens in den ersten Lebensjahren bei veganen Kindern für unerlässlich – danach ist es für Kinder wie Erwachsene wichtig, in den kalten Jahreszeiten (Hallo Oktober!) Vitamin D zu sich zu nehmen.

Tanja Weisenbach: Das vegane Breifrei Kochbuch. 2016. 207 Seiten. 19,90 Euro.

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1 Radbill: Infant Feeding through the Ages | Link
2 Zang: The role of pre-mastication in the evolution of complementary feeding strategies: a bio-cultural analysis | Link

2 Kommentare
  1. Hallo Sohra,
    “weaning” heißt im britischen und im amerikanischen Englisch nicht das gleiche (ich weiß aber nicht mehr, welches nun welches war 😉 )
    Es heißt einerseits “abstillen” aber in der anderen Version bezieht es tatsächlich auf die Beikost, also “Beikost bekommen”.
    Es bedeutet also, dass man sich nach dem Baby richtet, mit dem WAS und WIEVIEL usw. es essen möchte. Und da Babys selten mit 6 Monaten 200g Brei verdrücken und im Hauruck-Rhythmus die Stillmahlzeiten ersetzen wollen, stillt man automatisch im 2. Lebensjahr noch ziemlich viel.
    Der Ausdruck Baby led weaning heißt also nicht “Baby bestimmtes Abstillen”, sondern “Baby bestimmte Beikost”.

    In manchen Familien mag das aufs gleiche hinaus laufen, aber wenn man “Baby led weaning” macht, kann man sich auch dazu entscheiden, die Stillbeziehung nach 2(?) Jahren zu beenden, eben dann, wenn das Kind selbstständig genug Nahrung aufnehmen kann, um seinen Kalorienbedarf zu decken.

    Liebe Grüße und Kompliment für deinen Blog!
    Annette

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