Schlagzeilen diffamierender Artikel über vegane Kinderernährung

Schlagzeilen über vegane Kinderernährung

Bisher habe ich mich über die Artikel, in denen mit dramatischen Beschreibungen so getan wird, als habe der Anti-Christ persönlich irregeleiteten Eltern ins Ohr geflüstert, ihre Kinder vegan zu ernähren, nur privat lustig gemacht. Kopfschüttelnd dachte ich mir immer, dass den Leuten und AutorInnen das später bestimmt ganz schön peinlich ist, mal so einen Unfug gesagt und geschrieben zu haben. Und ich denke immer noch: Es ist wirklich nur eine Frage der Zeit, dass wir uns mit diesem Unfug auseinandersetzen müssen. Wie das so ist mit progressiven Themen – bis das auch der/die letzte Bild-RedakteurIn, der letzte CSU-Politiker, die letzte Spiegel-Bloggerin gecheckt haben, dauert das halt ein bisschen. Bis vor einigen Jahren galt ja auch Veganismus noch grundsätzlich als Mangelernährung – mittlerweile haben sich die zahlreichen gesundheitlichen Vorteile in der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend herumgesprochen. “ABER NICHT FÜR KINDER!!!” krakeelt es aber dennoch in verlässlicher Regelmäßigkeit in den Medien. Aber wie gesagt: So wie Langzeit-VeganerInnen wie ich erfolgreich ausgesessen haben, dass unser Umfeld vergeblich darauf gewartet hat, dass uns die Haare und Zähne ausfallen, und jenes Umfeld irgendwann einsehen musste, dass das halt einfach nicht passiert, werden wir vegane Eltern jetzt aussitzen, dass unseren Kindern das Gehirn nicht schrumpft. Kann man ja zum Glück nebenbei machen.

Vegane KinderImmer wieder werde ich gefragt, wie man mit Großeltern oder anderen Verwandten umgehen soll, die nicht akzeptieren können, dass man sein Kind vegan ernähren möchte. Ich habe da immer auf dem Schirm: Da steckt Fürsorge dahinter. Die Familie macht sich Sorgen, will das Beste fürs Kind – auch wenn die Strategie (die Fürsorge der Eltern in Frage stellen) nicht immer glücklich gewählt ist. Bei den Medien ist das anders. Da geht es nicht um das Beste fürs Kind. Da geht’s um Quoten und Profilierung. Ich war mal neu bei einem Kinderarzt. Mein Großer war damals noch keine anderthalb und ich wollte – um sicher zu sein – dass bei ihm ein Blutbild gemacht wird, inklusive Check der Nährstoffversorgung. Der Kinderarzt befand nach oberflächlicher Inaugenscheinnahme, dass mein Kind normal entwickelt sei und lehnte eine Blutuntersuchung ab – obwohl er wusste, dass wir vegan lebten und ich betonte, wie wichtig mir diese Untersuchung sei. Das einzige, das er dazu zu sagen (raunzen) hatte, war, dass für ihn Fleisch dazu gehöre. Das nächste Mal, dass ich ihn sah, war zufälliger- und überraschenderweise nur einige Wochen später in einem TV-Beitrag, für den ich selbst als vegane Mutter interviewt worden war: Er plusterte sich vor der Kamera mächtig auf und zählte polternd viele Schädigungen und Risiken auf, die bei veganer Kinderernährung auftreten könnten. So sorgenvoll war er bei meinem Kind, als es vor ihm saß, nicht. Siehste mal.

Die Stellungnahme der DGE

In den Hetz-Artikeln bleibt niemals unerwähnt, dass die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) – in deren Sektions-Beiräten interessanterweise verschiedene Verbände für Milch und Milcherzeugnisse, Fleisch und Agrarmarketing sitzen – eine vegane Kinderernährung ablehnt. Nicht erwähnt wird meist, dass die DGE-Position das tut, obwohl sie nach Auswertung des aktuellen Forschungsstandes feststellen muss, dass eine vegane Ernährung bei sorgfältiger Planung sowohl für Schwangere als auch für Kinder sicher ist. Was sonst noch so bei der DGE-Position zur veganen Kinderernährung keinen Sinn macht, habe ich ausführlicher hier beschrieben.

Die Stellungnahmen anderer Ernährungsorganisationen

Und wie schaut’s bei den Ernährungsorganisationen in anderen Ländern aus, wie stehen die so zu veganer Kinderernährung? Huch, die sind ganz anderer Meinung als die DGE? Woran das liegen mag? Arbeiten die womöglich unabhängig von Agrarverbänden? Oder orientieren die sich tatsächlich an wissenschaftlichen Ergebnissen? Man weiß es nicht, man munkelt nur.

Positionspapier der Academy of Nutrition and Dietetics (die weltweit größte Vereinigung von ErnährungswissenschaftlerInnen; 2016):

“Gut geplante vegetarische Ernährungsformen, inklusive der veganen, sind gesund, in Bezug auf die Nährstoffversorgung adäquat, und bringen gesundheitliche Vorteile für die Prävention und Behandlung bestimmter Krankheiten mit sich. Diese Ernährungsformen sind für alle Phasen des Lebenszyklus geeignet, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Säuglings- und Kindesalter sowie Adoleszenz.”1

Ernährungsleitfaden des National Institute for Health and Welfare in Finland (2015):

“Eine sorgsam zusammengestellte vegane Ernährung ist auch für schwangere und stillende Frauen, Kinder und Jugendliche geeignet.”2

Ernährungsleitfaden des Gesundheitsministeriums Portugal (2015):

Heute wissen wir, dass eine gut geplante vegetarische Ernährung [die vegane eingeschlossen] den menschlichen Nährstoffbedarf decken und in allen Phasen des Lebens durchgeführt werden kann, einschließlich Schwangerschaft, Stillzeit, Säuglingsalter, Adoleszenz, im Alter und sogar für Athleten.3

Positionspapier der British Dietetic Association (2014):

“Gut geplante vegetarische Ernährungsformen [die vegane Ernährung eingeschlossen] sind für alle Lebensphasen geeignet und haben viele Vorteile.”4

Positionspapier des National Health and Medical Research Council der australischen Regierung (2013):

Angemessen geplante vegetarische Ernährungsformen [vegane Ernährung eingeschlossen] sind für Individuen aller Lebenszyklen geeignet.”5

Positionspapier der Canadian Paediatric Society (2010):

“Gut geplante vegetarische und vegane Ernährung, in der ein Augenmerk auf spezielle Nährstoffe gerichtet wird, kann einen gesunden, alternativen Lebensstil in in jeder Phase der Entwicklung von Föten, Säuglingen, Kindern und Jugendlichen darstellen.”6

Mangelernährte oder tote vegane Babys

Es gibt sie, die mangelernährten oder toten Babys und Kleinkinder veganer Eltern, die alle paar Jahre international in die Schlagzeilen kommen. Das ist unendlich tragisch; man will sich das Leid dieser kleinen Menschen nicht ausmalen, der Gedanke ist eigentlich nicht auszuhalten. Gleichzeitig bleibt der Blick hinter die reißerische Schlagzeile wichtig. Wenn Kinder ein solches Schicksal erleiden, ist viel mehr schief gelaufen, als der bloße Verzicht auf Tierprodukte. Kinder erleiden nicht von heute auf morgen Entwicklungsverzögerungen oder -stillstände; ein Hungertod kommt nicht unangekündigt aus dem Nichts. Das sieht man auch an den prominenten Fällen:

  • 2019 erregt der Fall eines australischen Elternpaares Aufsehen, dessen Kleinkind mit 19 Monaten drastische Entwicklungsverzögerungen aufwies. Das Kind hatte unter anderem keine Geburtsurkunde, war nicht bei der Krankenversicherung registriert, und seit der Geburt auch nicht wieder bei einer medizinischen Untersuchung gewesen, obwohl den Eltern der schlechte Gesundheitszustand hätte auffallen müssen. (Link)
  • 2011 wurde ein französisches Elternpaar zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, nachdem ihr Kind an einer schweren Lungenentzündung gestorben war; sie hatten sich geweigert, das Kind ärztlich behandeln zu lassen. Ob die vegane Ernährung der Eltern eine Rolle spielte, konnte im Prozess nicht abschließend geklärt werden (Link).
  • 2008 bekam ein US-amerikanisches Elternpaar eine lebenslange Gefängnisstrafe, nachdem ihr Baby im Alter von drei Wochen verhungerte. Die Eltern hatten es mit Sojadrink (keine sojabasierte Säuglingssnahrung!) und Apfelsaft gefüttert (Link).
  • 2004 gab es Bewährungsstrafen für ein Paar aus Paderborn, deren Kind mit 14 Monaten an den Folgen von Unterernährung und einer Lungenentzündung gestorben war. Es hatte ihr Kind mit einer selbstgemachten Nahrung aus Mandeln und Kokosnuss ernährt, und vergeblich versucht, die Krankheit zwei Wochen mit Naturölen zu heilen (Link).

Apfelsaft für ein Neugeborenes? Ölumschläge gegen Lungenentzündung? Ernsthaft? Diese Kinder sind nicht gestorben, weil ihre Eltern vegan lebten. Diese Kinder sind gestorben, weil die Eltern eklatant planlos waren. Sie hatten nicht die geringste Ahnung, wie man ein Kind auch nur halbwegs adäquat ernährt. Und noch schlimmer: Als es ihrem Kind schlecht ging, holten sie sich keine Hilfe; den sich rapide verschlechternden Zustand des Kindes stuften sie nicht als bedrohlich ein. Es ist so: Einige Eltern sind eklatant planlos, und einige davon sind VeganerInnen. Diese tragischen Einzelfälle spiegeln jedoch nicht die Realität veganer Eltern wider. Sogar die DGE – die bekanntlich nicht gerade besonders veganfreundlich eingestellt ist – kommt in ihrem Papier zu veganer Ernährung nicht umhin einzuräumen, dass typische VegetarierInnen und VeganerInnen in westlichen Ländern einen hohen Bildungsstand haben und einen gesunden Lebensstil pflegen. Das bedeutet: Sie legen Wert auf gesunde Ernährung und gehen mit ihrem Kind zum Arzt/zur Ärztin, wenn es krank ist. So wie die meisten unveganen Eltern auch.

Übrigens: Die häufigste Todesursache für Kinder unter fünf Jahren ist Ersticken. 2013 erstickten in Deutschland 22 Kinder. Kein Kind starb an veganer Ernährung. Dennoch sucht man vergeblich nach Schlagzeilen, die Eltern, die den Heimlich-Griff oder Wiederbelebungsmaßnahmen nicht beherrschen, an den Pranger stellen und verpflichtende Erste-Hilfe-Kurse für Eltern fordern.

Studienlage

Die Forschungslage zu veganen Kindern und veganer Schwangerschaft ist dünn. Derzeit läuft eine Erhebung: Die VeChi-Studie untersucht die Ernährung vegetarischer, veganer und mischköstlerischer Kinder in Deutschland. Bis Ergebnisse veröffentlicht werden, müssen wir Vorlieb nehmen, mit dem, was da ist. Folgendes zum Beispiel:

Studie: Vegetarian diets and children (1994):

“Wenn bekannte Fallgruben vermieden werden, erscheinen Wachstum und Entwicklung vegan und vegetarisch aufgezogener Kinder normal.”7

Studie: Growth and development of vegan children (1992):

“Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass Kinder erfolgreich mit einer veganen Ernährung großgezogen werden können, vorausgesetzt dass die bekannten Fallgruben einer massigen Ernährung und Vitamin-B12-Unterversorgung sorgfältig vermieden werden.”8

Studie: Growth and development of British vegan children (1988):

Es wird geschlussfolgert, dass eine vegane Ernährung unter Voraussetzung ausreichender Sorgfalt normalen Wachstum und normale Entwicklung unterstützen kann.”9

Vegan-Vegetarian diets in pregnancy: danger or panacea? A systematic narrative review. (2015):

“Das Fehlen randomisierter Studien lässt nicht zu, die Effekte der Ernährung von anderen Faktoren zu abzugrenzen. Innerhalb dieser Grenzen dürfen vegan-vegetarische Schwangerschaften als sicher gelten, wenn man auf Vitamine und Spurenelemente achtet.”10

Und wie ist es mit der Ernährung von Babys? Wenn vegane Mütter nicht stillen können oder wollen, können die Babys mit sojabasierter Säuglingsnahrung gesund gedeihen? Na sichi!

Studie: British Journal of Nutrition: Safety of soya-based infant formulas in children (2013):

Die Unbedenklichkeit hinsichtlich Knochengesundheit, Fruchtbarkeit, Immunsystem, kognitiver Gehirnleistung oder hormoneller Entwicklung wurde wissenschaftlich erwiesen.11

Studie: Developmental Status of 1-Year-Old Infants Fed Breast Milk, Cow’s Milk Formua, or Soy Formula (2012):

Babys entwickelten sich gleich gut, egal ob sie Säuglingsnahrung bekamen, die auf Kuhmilch oder auf Soja basiert. Lediglich Säuglinge, die gestillt wurden, schnitten in Sachen kognitiver und psychomotorischer Entwicklung etwas besser ab.12

Nahrungsergänzungsmittel

Ja, VeganerInnen müssen Vitamin B12 zu sich nehmen. Vegane Eltern müssen ihren veganen Kindern Vitamin B12 geben. So what?! Nahrungsergänzung gehört doch schon längst zu einer ganz normalen Ernährung. Multivitamin-Säfte gab es schon, als Attila Hildmann noch speckig war (und damals waren sie nicht mal vegan), unser Salz ist jodiert, die Zahnpasta fluoridiert, Frauen, die schwanger werden wollen, sollen Folsäure zu sich nehmen, Babys bekommen routinemäßig nach der Geburt Vitamin K und in den ersten Lebensmonaten Vitamin D. Und der Rest der Bevölkerung nimmt nur deshalb kein Vitamin D zu sich, weil er keine Ahnung hat. Nahrungsergänzungsmittel für alle Altersstufen füllen ganze Gänge in Supermärkten und Drogerien – nur ein Bruchteil davon ist rezeptorisch vegan. In der Apotheke kann man ausschließlich unvegane Vitamin-B12-Tabletten/Dragees kaufen. Margarine, Frühstücks-Cerealien, Brot – angereichert mit Vitaminen. Die Kundschaft: Nicht-VeganerInnen. Und nicht nur das! Auch die Klassiker der unveganen Ernährung wie Milcherzeugnisse und Wurst sind häufig mit Nährstoffen angereichert. Und das Allerbeste: Auch die Tiere, von denen Milch, Käse, Fleisch und Wurst kommen, bekommen Massen an Nahrungsergänzung! Ganz vorne mit dabei: Vitamin B12!13, 14 Also, das ist ja ein ernstes Thema und eigentlich bin ich ja ein bisschen genervt, aber ich kann nicht umhin, das doch ganz schön lustig zu finden. Die werfen uns VeganerInnen vor, dass wir ungesund und unnatürlich leben, haben aber echt keinen Plan von dem, was da so auf ihrem Teller liegt… Kchrch!

Dogmatismus & Selbstbestimmung

Boah, vegane Eltern sind ja SOOO dogmatisch – die haben doch tatsächlich den Nerv, ihren Kindern auch veganes Essen zu geben! Voll dogmatisch! Und diese musikalischen Eltern, die ihre Kinder zum Musikunterricht schicken! Bah, ekelhaf. Oder atheistische Eltern, die mit ihren Kindern nicht in die Kirche gehen – GEHT JAWOHL GAR NICHT!! Und dann die AkademikerInnen-Eltern, die Wert darauf legen, dass auch ihre Kinder Abitur machen – hallo?! Ey, und diese FleischesserInnen-Eltern, die ihren Kindern Fleisch kochen! Und, das ist jetzt echt ein bisschen krass: Deutschsprachige Eltern, die mit ihren Kindern nicht Swahili sprechen, sondern (wirklich, das ist nichts für schwache Nerven) deutsch. Sogar in den nach Mallorca ausgewanderten Familien, ich hab’s ganz genau auf Vox gesehen! Echt mal, geht’s noch?! Es gibt jawohl nichts unnatürlicheres und dogmatischeres auf der Welt, als wenn Eltern ihre Kinder entsprechend ihrer eigenen Lebensweise, Gewohnheiten und Werte erziehen!

In Wirklichkeit gibt es natürlich alle möglichen Entscheidungen, Einstellungen und Kompromisse, die das Familienleben ausmachen. Es gibt vegane Eltern, denen es wichtig ist, ihren Kindern vegane Werte mitzugeben (und dabei auch gar nichts finden, denn sie wissen, dass Kinder, deren Eltern für sie entscheiden, dass sie mit Fleisch und Tierprodukten aufwachsen auch nicht autonomer sind als Kinder, deren Eltern für sie entscheiden, dass sie nicht mit Fleisch und Tierprodukten aufwachsen) und es gibt vegane Eltern, die ihren Veganismus einfach nur vorleben.

Über die Diffamierung veganer Eltern

Wir fassen zusammen: Vegane Ernährung ist keine reale Bedrohung für Deutschlands Kinder, im Gegenteil – außer der DGE erkennen zahlreiche Ernährungs-Fachverbände die gesundheitlichen Vorteile veganer Ernährung auch für Kinder an. Nahrungsergänzung ist faktisch auch für MischköstlerInnen Normalität. Und Erziehung ist nichts, das vegane Eltern erfunden hätten. Warum dann das ständige Bashing? Ganz einfach: Weil Minderheiten-Bashing das ist, was Menschen tun. Und das muss ich nicht einfach behaupten, denn das Marginalisieren von vegan/vegetarisch lebenden Menschen ist bereits mehrfach Gegenstand soziologischer und psychologischer Studien gewesen:

Ein Papier, das die Darstellung von Veganismus in 2007 erschienenen britischen Zeitungen untersuchte, kam zum Ergebnis:

“Zeitungen tendieren dazu, Veganismus zu diskreditieren, indem sie ihn lächerlich machen, oder seine praktische Umsetzung als schwierig oder unmöglich darstellen. VeganerInnen werden stereotypisiert als AsketInnen, sentimental, als feindselige ExtremistInnen, oder als würden sie dem neuesten Ernährungstrend folgen. Das Ergebnis ist eine abwertende Darstellung von VeganerInnen und Veganismus, die wir als ‘Vegaphobie’ interpretieren. […] Veganismus als fremdartig oder schwierig darzustellen, oder die Motive für eine vegane Lebensweise als Konsumentscheidung zu misrepräsentieren, macht es Nicht-VeganerInnen möglich, Veganismus im besten Fall als Merkwürdigkeit, und im schlechtesten Fall als gefährlich zu betrachten.”15

Aber warum machen das Menschen? – Aus dem gleichen Grund, warum sich Begriffe wie Gutmensch oder WeltverbesserIn als negativ konnotiert etablieren konnten. 2011 wurde das Herabwürdigen moralisch motivierter Minderheiten am Beispiel von vegetarisch lebenden Menschen untersucht und man fand heraus, dass diesen Minderheiten unterstellt wird, sich moralisch über andere Menschen zu stellen:

“Wir interpretieren diese Ergebnisse als reflexhafte Reaktion auf die Bedrohung, als moralisch unzulänglich verurteilt zu werden. […] Vorweggenommene moralische Vorwürfe rufen Widerwillen hervor, und die TeilnehmerInnen [der Studie] reagierten darauf,  indem sie die mutmaßliche Quelle [der moralischen Vorwürfe] abwerteten.”16

In einer anderen Studie von 2015 wurden Vorbehalte gegen verschiedene Minderheiten anderweitig marginalisierter Gruppen (z.B. Schwarze, MigrantInnen, Asexuelle, AtheistInnen etc) erhoben:

“Bemerkenswerterweise wurden nur Drogenabhängige negativer beurteilt als VegetarierInnen und VeganerInnen.”

Drogenabhängige?! Echt jetzt? Zusammenfassend stellt die selbe Studie fest:

“Indem sie sich vegan/vegetarisch ernähren, richten VegetarierInnen und VeganerInnen in Bezug auf Tiere, Umwelt und ihre eigene Gesundheit weniger Schaden an. Es ist paradox, dass der Umstand, dass sie objektiv weniger Schaden anrichten, dazu führt, dass VegetarierInnen/VeganerInnen das Ziel von Voreingenommenheit werden. Indem sie weniger Schaden in den genannten Hinsichten anrichten, richten VegetarierInnen/VeganerInnen jedoch in der öffentlichen Wahrnehmung in anderen Hinsichten Schaden an: Sie untergraben die Integrität allgemein gültiger sozialer Werte und Traditionen welche Tiere ausbeuten. Die Werte von VegetarierInnen/VeganerInnen können somit so gesehen werden, als untergraben sie die gegenwärtige Art zu leben, was dazu führt, dass sie Negativität ausgesetzt sind. Andere Gruppen wie UmweltschützerInnen und FeministInnen, die auch objektiv weniger Schaden anrichten, aber den Status Quo bedrohen, werden von MischköstlerInnen ähnlich negativ bewertet, vermutlich aus den gleichen Gründen.”17

Der Artikel “Vegeophobia. The rejection of vegetarianism for reasons of animal rights and welfare & Discrimination against vegetarians” stellt fest, dass vegetarische Eltern am stärksten von Vorbehalten und Vorurteilen gegen VegetarierInnen/VeganerInnen betroffen sind, da ihre Marginalisierung unter dem Vorwand der Kinderfürsorge einen großen Einfluss darauf hat, wie vegetarische (und vegane) Eltern betrachtet werden:

“Die Darstellung vegetarischer Eltern in den Medien schafft eine Distanz zwischen ihnen und den LeserInnen, die sich in keiner Weise mit denen identifzieren können, weil sie (die vegetarischen Eltern) völlig aus der Norm fallen.”18

Aber warum bloß Eltern? Also, meiner Erfahrung nach ist es ja so, dass Eltern und speziell die deutsche Mutter vor allem eins machen kann: alles falsch. Den einzigen Spielraum, den sie hat, ist: Dinge noch falscher zu machen. Die Rabenmutter kann sich zum Beispiel zu wenig um ihre Kinder kümmern. Die Helikopter-Mutter kann sich zu viel um ihre Kinder kümmern. Die Latte-Macchiato-Mutter kann, ja, was kann die eigentlich? Mütter, bzw. Eltern sind in ihrer Verantwortung der Fürsorge für ihre Kinder eine besonders verletzliche Gruppe. Und Verletzlichkeit wird in der Gesellschaft bekanntlich nicht als Anlass genommen, da besonders sensibel zu sein, sondern besonders fest draufzuhauen. Eigentlich voll traurig, oder?

(Artikel erstmals am 17. Januar 2017 veröffentlicht. Aktualisiert am 10. Mai 2019)

Quellen:

1 Positionspapier: Position of the American Dietetic Association: vegetarian diets. 2016. Originalsatz: “It is the position of the Academy of Nutrition and Dietetics that appropriately planned vegetarian, including vegan, diets are healthful, nutritionally adequate, and may provide health benefits for the prevention and treatment of certain diseases. These diets are appropriate for all stages of the life cycle, including pregnancy, lactation, infancy, childhood, adolescence, older adulthood, and for athletes.“ | Link
2 Leitfaden: National Institut for Health and Welfare in Finland: Food Recommendations for families with children 2015. Originalsatz: “A carefully composed vegan diet is suitable also for pregnant and breastfeeding women, children and adolescents.” S. 99 | Link
3 Leitfaden: National Programme for the Promotion of Healthy Eating: Guidelines for a Healthy Vegetarian Diet 2015. Originalsatz: “Today we know that, if well-planned, an exclusively vegetarian diet can fill all nutritional needs of a human being and can be adapted to all phases of the cycle of life, including pregnancy, lactation, infancy, adolescence, elderly or even to the situation of athletes.” S. 7 | Link
4
 British Dietetic Association, 2014: Food Fact Sheet. Vegetarian diets.  Originalsatz: “Well-planned vegetarian diets [including vegan diet] are appropriate for all stages of life and have many benefits.“ | Link
5 Australian Dietary Guidelines, 2013. Originalsatz: „Appropriately planned vegetarian diets are appropriate for individuals during all stages of lifecycle“. | Link
Positionspapier Canadian Pediatric Society, 2010: “Vegetarian diets in children and adolescents.” Originalsatz: „Well-planned vegetarian and vegan diets with appropriate attention to specific nutrient components can provide a healthy alternative lifestyle at all stages of fetal, infant, child and adolescent growth.“ | Link
7 Studie: Vegetarian diets and children. 1994. | Link
8 Studie: The growth and development of vegan children, 1992. | Link
9 Studie: The growth and development of British vegan children, 1988. | Link
10 Studie: Vegan-vegetarian diets in pregnancy: danger or panacea? A systematic narrative review. | Link
11 Studie: British Journal of Nutrition: Safety of soya-based infant formulas in children (2013). | Link
12 Studie: Developmental Status of 1-Year-Old Infants Fed Breast Milk, Cow’s Milk Formula, or Soy Formula (2012). | Link
13 Arbeitsgemeinschaft für Wirkstoffe in der Tierernährung e.V.: Vitamine in der Tierernährung | Link
14 Bayerische Landesanstalt für Schweinefütterung: Grundsätze der Schweinefütterung |Link
Daten und Fakten Kinderunfälle, 2013 | Link
15 Vegaphobia: derogatory discourses of veganism and the reproduction of speciesism in UK national newspapers, 2011. Originalsatz: “Newspapers tend to discredit veganism through ridicule, or as being difficult or impossible to maintain in practice. Vegans are variously stereotyped as ascetics, faddists, sentimentalists, or in some cases, hostile extremists. The overall effect is of a derogatory portrayal of vegans and veganism that we interpret as ‘vegaphobia’. […] Making veganism sound outlandish or difficult, and misrepresenting the motivations of veganism as a consumer choice, enables non-vegans to treat veganism as a curiosity, at best, or a dangerous obsession at worst.” | Link
16 Do-Gooder Derogation: Disparaging Morally Motivated Minorities to Defuse Anticipated Reproach, 2011. Originalsatz: “We interpret these results as a knee-jerk defensive reaction to the threat of being morally judged and found wanting. [] Anticipated moral reproach is aversive and participants reacted to it by putting down the presumed source.” | Link
17 It ain’t easy eating greens: Evidence of bias toward vegetarians and vegans from both source and target, 2015. Originalsatz: “Strikingly, only drug addicts were evaluated more negatively than vegetarians and vegans.” und “By following a vegetarian/vegan diet, vegetarians and vegans commit harm to animals, the environment, and their own health. It is somewhat paradoxical that by objectively doing less harm, vegetarians and vegans become targets of bias. In doing less harm in these domains, however, vegetarians and vegans are perceived as doing harm in another: they undermine the integrity of prevailing social values and traditions that exploit animals. Vegetarian/vegan values may therefore be viewed as undermining the current way of life, rendering vegetarian/vegans targets of negativity. Environmentalists and feminists, other groups who do little objective harm but threaten the status quo, are likewise evaluated by omnivores, presumably for similiar reasons.” | Link
18 Vegeophobia. The rejection of vegetarianism for reasons of animal rights and welfare & Discrimination against vegetarians | Link

24 Kommentare
  1. Einmal mehr ein sehr fundierter Artikel mit vielen Beispielen von namhaften Ernährungsgesellschaften aus aller Welt. Eigentlich wollte ich mich nach dem Anblick der dümmlichen Schlagzeilen gar nicht mit dem Artikel weiter befassen. Zum Glück habe ich es getan, und die vielen positiven Begründungen taten mir gut.
    Meine Enkelin ist 2 Jahre 4 Monate alt, topfit, aufgeweckt, voller Energie. Da sie zweisprachig aufwächst, spricht sie bereits deutsch und englisch. Wir leben seit über 3 Jahren vegan, nach 25 Jahren vegetarisch. Es geht uns allen gut.
    Um nicht immer wieder Erklärungen abgeben zu müssen, weiss kaum jemand davon.

  2. Vielen Dank für die wertvolle Forschung.

  3. Danke für diesen tollen und umfassenden Artikel! Das Thema ist gerade ganz aktuell hier im Großelternbereich…. Langsam hab ich keine Lust mehr, mich zu erklären und zu rechtfertigen. Ich werde dann einfach nur noch auf deinen Beitrag hier verweisen 😉

  4. Ein toller Artikel, aber der letzte Absatz bringt’s auf den Punkt. Danke!

    LG, C.

  5. Ein großartiger Bericht! Danke dafür! Mireille

  6. Top Beitrag… Danke!

  7. Hi,
    danke für deine Antworten bei den anderen Posts!
    Eine Frage, mir wurde jetzt vorgeworfen, es sei nicht sozial, meinen Sohn vegan zu ernähren. Er “sei eine stetige Abgrenzung” und er müsste seine “Lebensweise immer verteidigen” und das sei ja schon sehr krass, wenn ein Kind seinen Mann stehen müsse.

    Mein Sohn ist erst 15Monate, ich weiß also nicht was noch auf mich zu kommen wird. Außerdem wohnen wir eher ländlich, wo die Menschen eh immer etwas “langsamer” sind mit solchen Entwicklungen 😉 Wie hast du das gehandhabt und was gab es für Situationen? Ist vielleicht ja sogar einen Artikel wert, ich glaube das geht vielleicht vielen so wie mir gerade…

    Danke und LG

    • Hallo Antonia!

      Das stimmt, dazu könnte ich mir mal ein paar Gedanken machen!

      Es ist so erstaunlich, dass Menschen, die so etwas sagen wie “Du grenzt Dein Kind aus, wenn Du es vegan ernährst, weil es sich dann gegen andere verteidigen muss!” genau die Menschen sind, gegen die vegane Menschen sich verteidigen müssen…

      Bei uns gab es ehrlich gesagt solche Debatten nicht, aber ich lebe auch in Berlin und in einem insgesamt sehr Umfeld, das entweder vegan oder veganoffen ist. Was ich aber weiß, ist, dass wenn Kinder tatsächlich in eine Situation kommen, in der sie sich verteidigen müssen, also, wenn Kinder tatsächlich Kinder aufgrund ihrer veganen Ernährung aufziehen oder so, dann nur deshalb, weil sie ein solches Verhalten – eine abwertende, abschätzige Haltung an den Tag legen – von niemandem sonst haben als ihren Eltern.

  8. Danke erneut für deine Gedanken. Das hilft mir wirklich sehr weiter 🙂

  9. Vielen Dank für diesen wunderbaren Artikel!
    Du sprichst mir total aus der Seele. Diese Veganhetze der Medien und die ständig besorgten Verwandten und Bekannten, die sich allerdings selbst noch niemals wirklich mit Ernährung auseinandergesetzt haben, sondern nur sozial akzeptierte Thesen nachplappern, bringen mich auch regelmäßig auf die Palme.
    Aber du hast wohl recht- versuchen wir das einfach mal nebenbei auszusitzen und herzlich über diese grundlos panisch aufgescheuchte Masse zu lachen.

  10. nun ja….

    • Hm, guter Punkt. Andererseits… Man muss aber auch bedenken… Und dennoch… Unterm Strich… Aber vielleicht…

      Gut, dass wir darüber gesprochen haben!

  11. Interessanter Artikel!
    Meine Tochter, 1.5 Jahre hat bisher auch nur äußerst selten Fleisch bekommen. Leider hat das stillen damals nicht geklappt, weshalb sie noch Premilch zur Familienkost bekommt (abends). Eine Frage, die mir auf der Zunge brennt: Die Kleine wird wochentags von den Omas betreut, wovon sich eine nicht für gute Ernährung interessiert. Wenig Obst, wenig Abwechslung, noch ein anderer Enkel im Haus der jeden Müll reingestopft bekommt etc. Wenn die anderen jetzt eben ihre normale Kost essen wird meine Tochter natürlich neugierig und will das auch essen. Ich bin ehrlich gesagt am verzweifeln, ich kann dort keine Unterstützung erwarten, halte das was sie zu Hause bekommt jedoch für richtig. Ich gebe ihr sogar Essen mit, Oma lässt das Obst einfach in der Tasche liegen. Gern gibt’s dann den ganzen Tag Brot…ich selbst hatte Gestationsdiabetes und bin nicht schlank. Habe ernsthaft Sorge dass meine Tochter übergewichtig wird und was von dem Diabetes Mist abbekommen hat. Ich will ihr das um jeden Preis ersparen, ich werde nie den Spott anderer Kinder vergessen. Eine vegane Ernährung oder zumindest zu zB 90% halte ich für Prävention. Wie schaffe ich es, dass am gleichen Strang gezogen wird? Seitens der Oma ist es eher Desinteresse und neumodischer Mist anstatt Sorge. Ich würde mich trotz des riesigen Textes über eine Rückmeldung freuen…Herzliche Grüße, Rebecca

  12. Danke für den tollen Artikel! Gerade im Kindergsrten erlebt von Seiten einer Erzieherin meines 3-jährigen Sohnes. Vielleicht schreibe ich der mal ein paar der Zitate hier raus…

  13. Vielen Dank für den ganz tollen Artikel. Ich habe mir einige Stichworte rauskopiert, damit ich nächstes Mal, wenn ich wieder irgendwelche dummen anti-veganen Argumente höre, meine Position besser darstellen kann. Ich bin ein Elternteil, das Veganismus vorlebt (zu Hause koche ich sehr köstlich vegan)!
    Ich würde eigentlich gerne wissen, ob die DGE auch genauso lobbymässig verstrickt ist, wie die US amerikanischen “Gesundheits”organisationen, die von der Fleisch- und Milchproduzierenden Industrie und vor allem auch der Pharmaindustrie massiv unterstützt wird.
    Im Artikel wird erwähnt, dass Agrarverbände den DGE unterstützen. Ist die Unterstützung aber so massiv wie in den USA.
    Ich denke alle kennen den Film, ich setzte den Link hier dennoch nochmal hin. http://watchdocumentaries.com/what-the-health/

  14. Sehr guter Artikel.
    Ich selbst lebe seit über 27 Jahren vegan,
    War vor meiner ersten Schwangerschaft schon 2 Jahre vegan, habe beide Kinder vegan großgezogen. Sie sind es heute noch. Der Kinderarzt meinte damals, er finde unseren Entschluss gut, es sei viel einfacher etwas B12 einzunehmen, als zu versuchen später all die Zivilationskrankheiten, die durch Ernährung mit viel tierischen Produkten entstehen, zu heilen…

  15. Super Arikel, danke dafür!!! Dem Satz: “Diese Kinder sind gestorben, weil die Eltern eklatant planlos waren. Sie hatten nicht die geringste Ahnung, wie man ein Kind auch nur halbwegs adäquat ernährt.” stimme ich total zu, denn leider wissen das die wenigsten Eltern nicht, es gibt viel zu viele Kinder die schon in jungen Jahren zuckersüchtig sind, zu dicke sind, was sie ständig Fertigprodukte, “Kinder”produkte und somit viel zu viel Zucker zu essen bekommen…? Aber bei sowas gibt es keine Folgen!!!

  16. Toller Artikel!
    Ich mache für die Uni gerade eine Umfrage zum Thema veganer Ernährung bei Kleinkindern. Es würde mich sehr freuen, wenn ihr mitmachen würdet!

    https://erhebung.de/i/kzUsZRsY/Vegan-durch-die-Schwangerschaft/#/survey

  17. Wenn vegane Kinder krank werden, liegt es an der Ernährung. Werden omnivore Kinder krank, sind es die Gene. 😉

    • Super auf den Punkt gebracht, den Spruch merke ich mir!

  18. Danke für den Artikel! Habe ihn beim Surfen gefunden und darüber diese Seite kennengelernt- klasse!
    Ich hatte allerdings selber tatsächlich nach Antworten zum richtigen Umgang mit wohlmeinenden Großeltern gesucht. Gibt es dazu irgendwelche Lesetipps?

    Denn ich glaube bei meiner Mutter nicht, dass es ihr in erster Linie um Fürsorge geht – obwohl sie das vielleicht sogar selber glaubt!
    Wir halten es so, dass wir durchaus vom veganen Essen mal eine Ausnahme machen, wenn es um besondere Einladungen o.ä. geht, v.a., wenn die Gastgeber das nicht wissen konnten. Ich spreche von vielleicht zweimal jährlich. Und unsere Kinder zwingen wir auch nicht zum veganen Essen. Trotzdem finde ich es übergriffig, wenn andere, in dem Fall meine Mutter, die seit sieben Jahren Bescheid wissen, selber bestimmen, dass wir doch jetzt gefälligst mal eine Ausnahme machen sollen. Mein Vater hat sich dran gewöhnt und sucht immer neue vegane Rezepte im Netz, die er für uns kocht, wenn wir kommen. Sie jedoch behauptet, sie könne nicht vegan kochen, wir könnten ja das Fleisch weglassen. Oder wenigstens mal probieren- es sei doch heute gerade besonders gelungen. Wenigstens die Kinder könnten mal davon essen, die sind doch nicht so streng! Immer in einem Tonfall, der sich quasi mit den Kindern zu verbünden und sie auf ihre Seite GEGEN die Eltern zu ziehen versucht.
    Die Weigerung, sich mit dem Thema konstruktiv auseinanderzusetzen und die oft aggressive Feindseligkeit zeigen mir: Das ist ein gekränktes Ego. Unsere Ernährung ist ein Stachel in ihrem Fleisch und reibt ihr unter die Nase, was sie wohl als falsch gemacht und ans falsche geglaubt hat. Nur: Das reiben wir ihr überhaupt nicht unter die Nase! Das macht sie selber. Es ist eine verschärfte Version dessen, was wohl alle Veganer bei vielen Freunden erleben: Man isst KOMMENTARLOS sein veganes Essen, und das Gegenüber fühlt sich in der Defensive und erklärt, wie selten sie mittlerweile nur noch Fleisch essen (es geht auch immer um Fleisch, nie um Milch/Eier…).
    Meine Mutter, leider ein irrationaler Typ, tappt in diese Falle und fühlt sich wohl, weil wir familiär so nahestehend sind, noch viel stärker angegriffen und teilt entsprechend auch viel ungehemmter aus als besagte Freunde, die es beim unaufgeforderten Sich-Rechtfertigen belassen.

    Das ist meine hobbypsychologische Erklärung.
    Aber eine Lösung sehe ich nicht.
    Ich bin jedenfalls der Ansicht, dass der Aspekt der wohlwollenden Fürsorge vielleicht öfter nicht ganz aufrichtig ist, und man daher gerade bei Nahestehenden nicht in ein ehrliches Gespräch kommen kann, denn das eigentliche Problem ist ein abstrakterer Konflikt, in dem es irgendwie um Autorität oder Ähnliches geht.
    Ich glaube nicht, dass wir da so eine Ausnahme sind. Man kann jedenfalls nicht nach dem Motto diskutieren: „Ich weiß, dass ihr euch sorgt, aber wir haben uns auch Gedanken gemacht und sorgen durch die und die Maßnahme dafür, dass die und die Nährstoffe aufgenommen werden.“ Denn wenn es WIRKLICH um das Wohl der Kinder ginge, dann würde ein solches Gespräch inklusive Nachfragen am Ende für Erleichterung auf beiden Seiten sorgen und das Thema damit beendet sein.

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