© Koti / Fotolia.com

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Für vegane Kinder, deren Mütter nicht stillen wollen oder können, gibt es verschiedene Optionen.

Im deutschen Einzelhandel sind drei zwei Produkte erhältlich, die auf Soja basieren statt auf Kuhmilch:

Beide Produkte sind ab Geburt zugelassen. Allerdings enthält Töpfer Lactopriv intaktes Sojaeiweiß – damit ist es für Babys mit Kuhmilcheiweißallergie erst ab sechs Monaten geeignet; für diese Babys ist ab Geburt Humana SL Mittel der Wahl, da hier Sojaisolat verwendet wird. Allerdings sind beide Säuglingsnahrungen nicht gänzlich vegan, da das darin enthaltene Vitamin D tierischen Ursprungs ist.

Humana SL ist in verschiedenen Drogerien erhältlich. Auf der Webseite von Töpfer kann man unter “Filialfinder” im Hauptmenü nachgucken, wo in der Nähe Töpfer Lactopriv zu kaufen ist.

Seit einiger Zeit gibt es ein neues, laut Hersteller komplett veganes Produkt aus der Schweiz:

In Deutschland ist Bimbosan Bisoja zum Beispiel online hier bestellbar; in der Schweiz ist es in Apotheken und manchen Coop-Filialen erhältlich.

Verrückterweise ist (das nicht gerade für seine Veganfreundlichkeit bekannte) Frankreich da deutlich vielfältiger aufgestellt. Dort gibt es nämlich Säuglingsnahrung, die weder auf Kuhmilch, noch auf Soja, sondern auf Reis oder zum Teil auf Mandeln basiert. Anders als bei Humana und Töpfer gibt es hier jeweils verschiedene Sorten für unterschiedliche Altersstufen:

  • Prémiriz: Auf der Basis von Reis und kommt mit Bio-Siegel – und mit veganem Vitamin D3, das laut Hersteller aus Pilzen gewonnen wird. Hier gibt es drei verschiedene Varianten für Babys/Kinder von 0-6 Monaten, 6 bis 12 Monaten und 12-36 Monaten. Aus Frankreich hier bestellbar.
  • Bébé Mandorle: Das enthaltene Vitamin D3 ist unvegan Die Produktion wurde auf pflanzliches Vitamin D3 umgestellt, somit ist das Produkt vegan. Basiert auf Reis und ist Bio – hat aber auch einen happigen Preis. Bietet jeweils eine Variante für Babys bis sechs Monaten und eine für Babys von sechs Monaten und einem Jahr (ist aber sicherlich auch danach ergänzend geeignet). Hier direkt beim Hersteller aus Frankreich bestellbar.
  • Modilac Expert Riz: Laut telefonischer Auskunft handelt es sich beim enthaltenen Vitamin D um veganes Vitamin D2 (Infos zum Unterschied zwischen Vitamin D2 und D3 kannst Du hier nachlesen). Basierend auf Reis gibt es hier eine Sorte für Babys von 0 bis 6 Monaten, für Babys ab sechs Monaten und eine für Babys/Kinder ab einem Jahr, jeweils auch in der Anti-Reflux-Version (Dann mit dem Zusatz AR im Produktnamen). Aus Frankreich z.B. hier oder hier bestellbar. Bitte beachten: Im Januar 2019 gab es eine Rückrufaktion von Modilac, die auch einige der veganen Sorten betrifft.

Detaillierte Infos zu den Produkten aus Frankreich gibt es im französischen veganen Familienblog Enfant vege!

Von Versuchen, vegane Säuglingsnahrung selbst herzustellen – etwa aus Mandeln – wird dringend (!) abgeraten, da eine solche Nährlösung auf keinen Fall dazu geeignet ist, die komplexe Zusammensetzung von Muttermilch oder industrieller Säuglingsnahrung zu kopieren, das gesunde Gedeihen von Babys zu unterstützen, und in der Vergangenheit bereits zu schwersten Mangelerscheinungen bis hin zu Todesfällen bei Säuglingen geführt hat. Auch Pflanzendrinks, selbst wenn es sich um angereicherte Produkte handelt, sind nicht dazu geeignet, Muttermilch bzw. Säuglingsnahrung zu ersetzen. 

Flasche oder Muttermilch?

Ob und wie lange eine Frau ihr Baby mit ihrer Brust ernähren möchte, ist eine höchstpersönliche Entscheidung und beide Optionen – Flasche sowie Brust – haben Vor- und Nachteile: Muttermilch ist die natürlichste und gesündeste Nahrung für das Baby; viele Frauen sehen durch das Stillen ihre Bindung zum Kind gestärkt und ihren Alltag erleichtert, da man Muttermilch nicht erst kaufen und zubereiten muss. Die komplette oder teilweise Ernährung mit Säuglingsnahrung hingegen kann die Frau aber auch entlasten (sei es, weil sie wieder arbeiten gehen möchte/muss oder weil das Stillen nie so mühelos klappte wie sie es sich wünschte) oder gibt dem Vater die Möglichkeit, sich stärker in die Sorgearbeit für das Kind einzubringen. Ich traue jeder Frau zu, diese (und andere) Vor- und Nachteile im eigenen Ermessen abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen, die ihrer individuellen Situation entspricht, egal wie sie ausfällt.

Was, wenn das Stillen nicht klappt?

Zur Selbstbestimmung gehört außer der Zuversicht, dass man für sich die richtige Entscheidung getroffen hat, manchmal aber auch Unterstützung –  und so wie Frauen, die gar nicht oder nicht voll stillen möchten oder können, von ihrem Umfeld die Unterstützung brauchen, dafür nicht verurteilt zu werden, brauchen Frauen, die stillen wollen, manchmal die Unterstützung von Stillberaterinnen. Es ist erstaunlich, wie oft Frauen Probleme mit dem Stillen haben, sich aber trotzdem nicht an Stillberaterinnen wenden! Dabei sind diese kostenlos und können eine komplizierte Stillbeziehung zu einer entlastenden und bereichernden Erfahrung werden lassen. Stillberatung – telefonisch per Hotline aber auch von einer Stillberaterin in Deiner Nähe –  bekommst Du bei der Arbeitsgemeinschaft freier Stillgruppen (AFS) oder bei der La Leche Liga. Wer absolut sicher sein möchte, kann über die Webseite von Humana eine Probepackung bestellen, damit für den Notfall etwas zu Hause ist – und die Nummer einer Stillberaterin direkt auf einen Klebezettel auf den Kühlschrank kleben! Weitere Tipps zum Stillen findest Du hier auf TofuFamily.de!

Ist Soja denn unbedenklich?

“Vegane Mütter – diesen Müttern sollte wärmstens empfohlen werden zu stillen. Aber wenn sie nicht stillen können oder nicht stillen möchten, ist sojabasierte Säuglingsnahrung eine angemessene Alternative.” British Dietic Association1

Im Zusammenhang mit Soja herrscht immer wieder Unsicherheit. Im Mittelpunkt der Kritik stehen dabei die Isoflavone, so genannte Phytoöstrogene, die in Sojabohnen reichlich, aber auch in anderen Hülsenfrüchten oder in Getreide vorkommen. Östrogen ist ein weibliches Sexualhormon – Phytoöstrogen ist jedoch kein Hormon, sondern ein sekundärer Pflanzenstoff, der in seiner chemisch-strukturellen Form dem Östrogen ähnlich ist und die Rezeptoren für Östrogene im Körper besetzen kann. Das bedeutet, dass Isoflavone die Wirkung von hormonellem Östrogen vermindern kann, indem weniger Östrogene Rezeptoren finden. Das kann eine sich positiv auf die Gesundheit auswirken, etwa bei einigen Formen von Brust- oder Prostatakrebs, da diese Krebszellen von einem hohen Spiegel hormonellen Östrogens in ihrem Wachstum beschleunigt werden können. Auch bei Frauen in den Wechseljahren wurden positive Folgen auf die Knochengesundheit durch Phytoöstrogene beobachtet.

Babys, die mit Säuglingsnahrung auf Sojabasis ernährt werden, nehmen etwa 23,6mg Isoflavon täglich zu sich; das entspricht etwa 4mg pro Kilogramm des Körpergewichts. Auch wenn es kaum einheitliche Studien dazu gibt, wie viel Isoflavon Erwachsene genau zu sich nehmen, muss man davon ausgehen, dass diese Menge deutlich die Einnahme von Isoflavon europäischer Erwachsene übersteigt und vermutlich auch die von Erwachsenen, die in asiatischen Ländern, in denen viel Soja konsumiert wird, leben.

Aber was heißt das? Die Ergebnisse von Studien dazu sind nicht immer einheitlich, aber in der Summe beruhigend.

Eine Studie der American Academy of Pediatrics (AAP, die größte Organisation von Kinderärzt*inn in den USA) von 20122 in der man die Entwicklung von Babys verglich, die jeweils mit Säuglingsnahrung auf der Basis von Kuhmilch oder auf der Basis von Soja oder mit Muttermilch ernährt wurden, kommt zu dem Ergebnis, dass sich bei den Babys, welche Säuglingsnahrung bekamen, keine Unterschiede feststellen ließen – die Babys entwickelten sich gleich gut, egal ob sie Säuglingsnahrung bekamen, die auf Kuhmilch oder auf Soja basierte. Lediglich die Säuglinge, die gestillt wurden, schnitten in Sachen kognitiver und psychomotorischer Entwicklung etwas besser ab.

In einer weiteren Untersuchungen von 2013 wurden Studien zur Sicherheit sojabasierter Säuglingsnahrung aus der Zeit zwischen 1909 bis 2013 systematisch analysiert3. Auch hier kamen die Forscher*innen zu dem Schluss, dass die Unbedenklichkeit hinsichtlich Knochengesundheit, Fruchtbarkeit, Immunsystem, kognitiver Gehirnleistung oder hormoneller Entwicklung sind wissenschaftlich erwiesen ist.

Weitere Positionspapiere und Studienergebnisse:

In ihrem Papier „Use of Soy Protein-Based Formulas in Infant Feeding“4 von 2008 kommt die American Academy of Pediatrics (AAP) zu folgendem Ergebnis:

“Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es trotz zahlreicher Studien bei verschiedenen Spezies weder in Populationen von Tieren, Menschen oder Säuglingen überzeugenden Beweise dafür gibt, dass sich der Verzehr von Sojaisoflavon nachteilig auf die menschliche Entwicklung, seine Reproduktion oder hormoneller Funktionen auswirkt.”

Einschränkungen gelten bei Säuglingen mit angeborener Schilddrüsenfunktionunterfunktion oder unterentwickelten Nieren. Die AAP rät davon ab, frühgeborene Babys mit sojabasierter Säuglingsnahrung zu ernähren, da Studien gezeigt hätten, dass sich hier Kuhmilch besser als Sojanahrung für die Knochenbildung eignet.

Ein älteres Papier vom Committee on Toxicity of Chemicals in Food, Consumer Products and the Environment (ein unabhängiges, wissenschaftliches Gremium, das Empfehlungen für verschiedene staatliche Abteilungen in UK ausspricht) aus dem Jahr 2003 mit dem Titel „Phytoestrogens and Healths“5 spricht sich folgendermaßen aus:

“Die Arbeitsgruppe ist der Ansicht, dass die Ergebnisse dieser Studie keine Beweise liefern, dass die Phytoöstrogene in sojabasierter Säuglingsnahrung sich negativ auf die Gesundheit eines Säuglings auswirken. Nichtsdestotrotz deuten diese Ergebnisse, zusammen mit denen aus Studien zu der Wirkungsweise und biologischen Aktivität von Phytoöstrogenen die in diesem Papier besprochen wurden, auf mögliche Risiken. Aus diesem Grund erklärt die Arbeitsgruppe Bedenken bezüglich der Verwendung Sojabasierter Säuglingsnahrung.” 

2004 kommen WissenschaftlerInnen mit ihrem Papier „Safety of soy-based infant formulas containing isoflavones: the clinical evidence“6 zu folgendem Schluss:

“Sojabasierte Säuglingsnahrung erfährt als gesunde Alternative zu Mutter- oder Kuhmilch breite Anerkennung. Sie kann auf eine lange Geschichte sicherer Verwendung zurückblicken und ist eine pflanzliche Eiweiß-Alternative von hoher Qualität zu herkömmlicher Säuglingsnahrung. Gründliche Studien zu Sicherheit von Isoflavonen in Soja kommen zu dem Ergebnis, dass es keine überzeugenden Beweise dafür gibt, dass sich Isoflavone in der Ernährung nachteilig auf die gesundheitliche Entwicklung oder die Reproduktionsfähigkeit von  Tieren, erwachsenen Menschen oder Säuglingen auswirkt. Eine umfassende Durchsicht der Literatur und klinischen Studien zu Säuglingen, die mit sojabasierter Säuglingsnahrung ernährt wurden, zerstreuen Zweifel oder geben keinen Anlass für klinische Bedenken in Bezug auf nährstoffliche Eignung, sexuelle Entwicklung, neurobehaviorale Entwicklung, die Entwicklung des Immunsystem oder von Schilddrüsenkrankheiten. Sojabasierte Säuglingsnahrung liefern eine vollständige Ernährung das in ausreichender Form einen normalen Wachstum und die Entwicklung von Säuglingen unterstützt.”

Natürlich empfiehlt die American Academy of Pediatrics, wie jede andere Gesundheitsbehörde oder –organisation, Muttermilch als bevorzugte Nahrung von Säuglingen.

Quellen:

1British Dietetic Association: Paediatric group position statement on the use of soya protein for infants (2003) | Link
2 Developmental status of 1-year-old infants fed breast milk, cow’s milk formula, or soy formula (2012) | Link
3 Studie: Developmental Status of 1-Year-Old Infants Fed Breast Milk, Cow’s Milk Formula, or Soy Formula (2012) | Link
4 British Journal of Nutrition: Safety of soya-based infant formulas in children (2014) | Link
5 Committee on Toxicity: Phytoestrogens and Health (2003) | Link
6 American Academy of Pediatrics: Use of Soy Protein-Based Formulas in Infant Feeding (2008) | Link

Stand: Januar 2019