Als vegane Mutter ist es gar nicht so einfach sein Kind um die verfälschten, weil stark beschönigten Darstellungen von Bauernhöfen und Tierhaltung zu navigieren, die sich normalerweise in Bilderbüchern und Spielsachen finden. Deshalb ist es immer toll, wenn sich Publikationen ankündigen, die gängige Mythen durchbrechen. Mit “Schweinchen Hugo reißt aus” ist ein Kinderbuch erschienen, das von einigen anderen Blogs bereits hochgelobt wurde – soweit ich das beurteilen kann, waren die Schreiberlinge (sowie der Autor des Buches selbst) kinderlos. Und vielleicht ist es meine Sicht als Mutter, die es mir etwas schwer macht, dieses Buch abzufeiern.
In dem Bilderbuch, das vom Verlag für Kinder ab sechs Jahr empfohlen wird, geht es um die zwei jungen Schweine Hugo und Matilda, die von ihrem Bauernhof ausreißen wollen. Der Hofkater Konrad erzählt ihnen, dass das eine gute Idee sei, da sie sonst von Menschen gefressen würden, was diese zunächst nicht glauben können. Am nächsten Tag jedoch ist Hugos Mutter verschwunden, was Hugo in Verzweiflung stürzt. Der Fluchtplan wird also dringlicher, da nun deutlich wird, dass auch Hugos und Matildas Leben und das aller anderen Schweine akut bedroht ist. Als sie diesen in die Tat umsetzen, werden sie vom Bauer beschossen, der sie jedoch verfehlt – das haben sie auch dem Kater Konrad zu verdanken, der den Bauern angreift, dabei jedoch verletzt wird. Um ihr eigenes Leben nicht zu gefährden, müssen die Schweine Konrad zurücklassen. Die Schweine finden Zuflucht im Wald.
Soweit, so spannend. Ganz schön spannend für Sechsjährige, wie ich finde. Die Frage, die sich mir stellt, ob diese Erzählung tatsächlich für so kleine Kinder schon zumutbar ist.
Bei Büchern gibt es keine offizielle oder bindende Altersbeschränkung. Anders bei Filmen und Videos: Hier bestimmt die Freiwillige Selbstkontrolle (FSK), eine Einrichtung der Filmwirtschaft, welche Filme ab welchem Alter freigegeben werden. Schaut man hier also nach, welche Kriterien für Freigaben ab sechs Jahren gelten, so findet man unter anderem die Anforderung nach einem positiven Ausgang. In “Schweinchen Hugo reißt aus” gelingt den Schweinen zwar die Flucht vom Bauernhof, aber ein richtiges Happy End ist es nicht: Noch in den letzten Sätzen des Buches betrauert Hugo den Verlust der Mutter und auch das ungewisse Schicksal des verletzten und zurückgelassenen Freundes Konrad überschattet die Freude über die gewonnene Freiheit.
In diesem interessanten Text der FSK kann man über die Kriterien der Alterskriterien lesen – unter anderem werden darin auch Tiere thematisiert. Besonders bemerkenswert fand ich, dass Kinder das Leiden oder Sterben von Tieren im Film stärker zu schaffen macht, als wenn Menschen betroffen sind.
Vor diesem Hintergrund finde ich umso problematischer, dass es in diesem Buch um existenzielle Bedrohungen geht: Hugo, das Schweinekind, verliert niemand anderen als seine Mutter (seine wichtigsten Bezugsperson!), und auch die Darstellung des Bauern, der mit der Schrotflinte auf die kleinen Schweine schießt, so dass diese um ihr Leben rennen müssen, finde ich für so junge Leser extrem heikel. Es stimmt, dass für so genannte Nutztiere existenzielle Bedrohung Realität ist, aber die Frage ist, welche Wahrheit für welches Alter zumutbar ist.
Ich tue mich schwer damit, dieses Buch zu empfehlen – ich lese es meinem Kind nicht vor. Ich finde, kindgerecht ist irgendwie anders.
Alexander Bulk: Schweinchen Hugo reißt aus. compassion media 2012, 70 Seiten; 13,90 Euro
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